Unser Archiv
Willkommen im Archiv der Stiftung Pfennigsdorf, einem Ort der Erinnerung und Information. Unsere Stiftung widmet sich der Förderung von Kultur und trägt das Vermächtnis des Bonner Bürgers Udo Pfenningsdorf weiter. Dieses Archiv bietet Ihnen umfassende Einblicke in die Geschichte unserer Stiftung sowie in das historische Leben im Stiftungshaus an der Poppelsdorfer Allee 108.

Stifter & Stiftungszweck
Der am 3. Dezember 1989 in Bonn verstorbene Rechtsanwalt Dr. Udo Pfennigsdorf, geb. am 13. August 1908, hat durch sein Testament die „Stiftung Pfennigsdorf“ mit Sitz in Bonn errichtet und sie zu seiner Erbin eingesetzt. Das Innenministerium des Landes NRW hat diese Stiftung und die Stiftungssatzung vom 8. Januar 1992 am 9. April 1992 genehmigt.
Die Stiftung verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke, nämlich die Förderung der Kultur. Nach dem Willen des Stifters ist die wichtigste Aufgabe der Stiftung „der exemplarische Erhalt eines Bürgerhauses aus der Zeit um die Jahrhundertwende in dieser exponierten Lage an der Poppelsdorfer Allee in Bonn, deren Bebauung weitgehend aus dem vorigen Jahrhundert stammt“.

Zeittafel
Kurzgeschichte des Hauses in der Poppelsdorfer Allee 108
Von Maria Weiler, Geschäftsführerin bis 30.6.2009
Das Haus Poppelsdorfer Allee ist als Ganzes mit Einrichtung und Hausrat erhalten und vermittelt somit ein eindrucksvolles und komplettes Bild eines Bürgerhauses im ausgehenden 19. Jahrhundert.
Es ist eines der ältesten Häuser auf der Nordseite der Poppelsdorfer Allee. Unter der Regierung von Clemens August wurde etwa 1745 mit der Anlage der Allee begonnen; sie war nach zehn Jahren vollendet. Die parallel verlaufende Meckenheimer Allee diente stets als Straße für den Durchgangsverkehr und die Poppelsdorfer Allee als Promenade und Grünanlage.
Seit Anfang des 19. Jahrhunderts zogen viele reiche Industrielle, Bankiers und wohlhabende Rentner hauptsächlich aus dem Ruhrgebiet und vom Niederrhein nach Bonn an den Rhein. Unter „Rentnern“ verstand man damals reiche Zeitgenossen, deren Vermögen groß genug war, um aus dem Ertrag des Vermögens einen aufwendigen Lebensstil zu bestreiten. Im Zuge der wachsenden Bevölkerung der Stadt Bonn wurden die „Südstadthäuser“ im Laufe der Zeit von Professoren, höheren Offizieren und sonstigen wohlhabenden Familien erworben.
Das Dorf Poppelsdorf gewann erst ab 1818 ein engeres Verhältnis zu Bonn; denn in diesem Jahr bezog die Universität Bonn auch das Poppelsdorfer Schloss, das damals noch auf Poppelsdorfer Gemarkung lag. Erst 1904 wurde Poppelsdorf in die Stadt Bonn eingemeindet. Auch das Haus Poppelsdorfer Allee 108 stand damals in der Gemarkung Poppelsdorf.
Kurz nach 1870 war die Poppelsdorfer Allee schon in weiten Teilen auf beiden Seiten bebaut. Bis 1905 hielt ein regelrechter Bauboom an. Zum Glück wurden im Zweiten Weltkrieg nur wenige Häuser der Südstadt zerstört. Nach dem Krieg wurde jedoch, z.B. im Rahmen der Schließung von den Baulücken durch moderne Häuser, das Stadtbild nicht verschönert. In vielen Fällen wurden in den ursprünglichen Einfamilienhäusern die Etagen in separate Wohneinheiten umgewandelt oder als Büros vermietet.
Beispiele für den wenig einfühlsamen Umgang in den vergangenen Jahrzehnten mit der Architektur und der Struktur des Südstadtviertels – das ursprünglich ein reines Wohngebiet war – finden sich auch an der Poppelsdorfer Allee. In dieser Hinsicht hat die Erhaltung dieses Hauses eine besondere Bedeutung, denn seine Konzeption als Einfamilienhaus ist bewusst erhalten worden.
Die Bauakte des Hauses ist erst ab dem Jahre 1905 im Bauordnungsamt der Stadt Bonn erhalten. Das exakte Baudatum und die Person des Architekten sind nicht mehr zu ermitteln. Der Stifter, Dr. Udo Pfennigsdorf, hatte sich sehr intensiv bemüht, das Baujahr dieses Hauses festzustellen. Er ging immer davon aus, dass es bereits um 1850 erbaut sei. Diese Annahme ist nicht mehr unwahrscheinlich. Denn seit Ende 1999 wissen wir mehr: Im Zuge der Renovierung des gesamten Treppenhauses wurden die alten Tapeten abgetragen und man fand aufgeklebte Zeitungen, die als Makulatur unter den Tapeten noch erhalten waren. Einwandfrei sind Teile der „Bonner Zeitung“ vom „Dienstag, dem 2. Dezember 1856“ erhalten. Damit wissen wir nun mit Sicherheit, dass das Haus nach 1856 erbaut wurde. Diese Beweisstücke haben wir natürlich aufbewahrt.
Das Haus hat sehr oft die Besitzer gewechselt, die es entweder selbst bewohnten oder es vermieteten, bis schließlich im Jahre 1917 der Theologieprofessor Emil Pfennigsdorf und seine zweite Ehefrau, Erika, geb. Otte, die Eltern des Stifters Dr. Udo Pfennigsdorf, das Haus für 60.000 Mark erwarben. Emil Pfennigdorf hatte 1913 einen Ruf an die Bonner Universität auf den Lehrstuhl für praktische Theologie erhalten. Die ersten Jahre in Bonn wohnte die Familie in einem gemieteten Einfamilienhaus in der Bennauerstraße.
Der Erwerb des Hauses wurde möglich durch das väterliche Erbe der Ehefrau Erika Pfennigsdorf. Wie die Zimmer zur Zeit der Eltern des Stifters aufgeteilt waren, lässt sich vermuten. Es gibt Berichte, dass Emil Pfennigsdorf auch zu Hause Lehrveranstaltungen abhielt, was angesichts der damaligen Studentenzahlen durchaus noch üblich war. Er nutzte dazu die Räume im Parterre des Hauses.
Im Laufe der Zeit erlebte dieses Haus die verschiedensten – auch unerwünschten – Bewohner: Ende des Ersten Weltkrieges Einquartierung von deutschen Truppen, die auf dem Rückmarsch waren; ab Dezember 1918 bis 1920 britische und kanadische Besatzungssoldaten; ab März bis Juni 1945 amerikanische Besatzungssoldaten.
Ab August 1945 bewohnte die Familie dieses Haus wieder allein und im Oktober 1945 kehrte der Stifter, Dr. Udo Pfennigsdorf, aus der Kriegsgefangenschaft heim. Er nahm ab April 1946 im Parterre des Hauses seine Tätigkeit als Rechtsanwalt wieder auf.
Die Eltern des Stifters verstarben in den Jahren 1954 und 1956. Dr. U. Pfennigsdorf einigte sich mit seinen Geschwistern. 1955 wurde ihm das Haus überschrieben. Er starb am 3. Dezember 1989. Gemäß seiner testamentarischen Verfügung wurde das Haus in den Besitz der aus seinem Nachlass gegründeten Stiftung überführt, die seit dem 8. Juni 1993 als Besitzer des Hauses im Grundbuch eingetragen ist.
In den letzten Jahren wurde das Haus mit Hilfe der Erträgnisse aus dem Vermögen der Stiftung nach und nach mit Sorgfalt restauriert. Die Fassade des Hauses wurde 1995 anlässlich des Fassadenwettbewerbs der Stadt Bonn und der Sparkasse Bonn prämiert. Außerdem ließ die Stiftung in den Jahren 1997 und 2000 alle Räume und das Treppenhaus renovieren. Die vermietete Wohnung im 2. Obergeschoss erhielt Fenster mit einer besseren Isolierung. Sobald es die Ersparnisse erlauben, werden die Fenster auch für das Parterre und das 1. Obergeschoss erneuert.
Geschichte des Hauses in der
Poppelsdorfer Allee 108
von Martin Stumpf
Historie
Die Zeit der Erbauung
Die Bauakte des Hauses Nr. 108 in der Poppelsdorfer Allee ist erst ab dem Jahr 1905 im Bauordnungsamt erhalten, sodass davon ausgegangen werden muss, dass die vor dieser Zeit liegenden Akten im Zuge der Eingemeindung Poppelsdorfs verloren gegangen sind. Das exakte Baudatum und die Person des Architekten sind nicht mehr zu ermitteln. Stilistische Vergleiche können keine Aufschlüsse zur Bestimmung eines der in der Bonner Südstadt tätigen Architekten bringen. Es ist noch nicht einmal sicher, dass es sich um einen staatlich geprüften Architekten gehandelt haben muss, denn es war durchaus üblich, dass auch Maurermeister als Entwurfsplaner tätig waren, wobei man die Projekte üblicherweise nach Vorlageblättern ausarbeitete.
Als Quellen zur Geschichte des Hauses sind vor allem die Bonner Adressbücher, aber auch die privaten Akten von Udo Pfennigsdorf zu Rate zu ziehen, wobei die letzteren nur spärliche Informationen bieten, weil das Haus erst 1917 in den Pfennigsdorfschen Besitz überging. Die alten Adressbücher der Stadt Bonn von 1867 bis 1918/19 stellen für die Geschichte des Hauses vor 1917 eine unschätzbare Quelle dar, weil sie nicht nur die Bewohner des Hauses, sondern auch meistens deren Beruf angeben. Noch wertvoller in diesem Zusammenhang ist aber die Angabe des jeweiligen Hausbesitzers, auch wenn dieser nicht selbst im Haus wohnt. Diese Angaben zu den Hausbesitzern sind im Falle des Pfennigsdorfschen Hauses allerdings über die Jahre lückenhaft und teilweise widersprüchlich.
In zahlreichen Briefen Udo Pfennigsdorfs, aber auch in Aktennotizen für den privaten Gebrauch aus den 1980er Jahren, ist von einer Erbauung des Hauses im Jahr 1842 die Rede. Als Beispiel sei hier ein Zitat aus einem Brief an den Bonner Stadtdirektor vom 09.03.1989 angeführt: „Mein Haus Poppelsdorfer Allee 108 ist eines der ältesten Häuser auf der Poppelsdorfer Allee. Es ist bereits vor 1842 errichtet worden, und zwar als Hochzeitsgeschenk für einen Rittmeister der Königshusaren. Im Stadtarchiv stellte ich vor längerer Zeit durch Einsichtnahme eines alten Bonner Adressbuches auch fest, dass im Jahre 1842 auf der Poppelsdorfer Allee nur ca. 24 Häuser verzeichnet waren und zwar u.a. auch mein Haus Poppelsdorfer Allee 108.“
Offensichtlich hat sich hier über die Jahre ein Fehler eingeschlichen: In den Bonner Adressbüchern der Zeit um 1842 ist das Pfennigsdorfsche Haus schon deshalb nicht verzeichnet, weil die Gebäude auf Poppelsdorfer Gemarkung liegenden Häuser erst seit der Ausgabe von 1867 darin vermerkt werden und von der Gemeinde Poppelsdorf vor dieser Zeit keine Adressbücher existieren.
Gegen eine Datierung des Hauses vor 1842 spricht nicht nur die Tatsache, dass zu dieser Zeit in der heutigen Südstadt kaum ein Haus stand und die von Bonn aus gesehen rechte Seite der Poppelsdorfer Allee noch praktisch unbebaut war, sondern auch, dass das Haus dann auf dem auf 1855/56 datierten Plan des Stadtbaumeisters Thomann zur südlichen Stadterweiterung Bonns verzeichnet sein müsste.
Nach einer Aktennotiz Pfennigsdorfs war der erste Besitzer des Hauses ein Rittmeister von Mühlberg, Rittmeister der Königshusaren. Er hat nach mehrfachen Zeugnissen im Nachlass Udo Pfennigsdorfs das Haus als Hochzeitsgeschenk erhalten.

(Ältestes Foto des Hauses. Rechts neben dem Pfennigsdorfschen Haus ist der Vorgängerbau des 1913 entstandenen heutigen Nachbargebäudes zu sehen.)
Die früheste Eintragung des Hauses im Bonner Adressbuch von 1870 verzeichnet allerdings nicht diesen Offizier, sondern die Geschwister Giebert, beide Rentner, als alleinige Bewohner des Hauses unter der damaligen Hausnummer 92; ein Hausbesitzer ist nicht eingetragen. In der Ausgabe von 1872 ist als Bewohner und Hausbesitzer ein Rentner namens E. Giebert angegeben. Erst im Adressbuch von 1873 wird ein Paul Mühlberg als Bewohner und Besitzer des Hauses genannt. Bei ihm handelt es sich um die einzige Person unter den Vorbesitzern des Pfennigsdorfschen Hauses, die genauer fassbar ist, da Mühlberg im April 1866 in das Königs-Husaren-Regiment Nr. 7 eintrat, wo er 1889 bis zum Major aufstieg.
Der Regimentsgeschichte ist zu entnehmen, dass der am 17.05.1847 in Berlin geborene Paul Mühlberg durch die Nobilitierung seines Vaters, des Rentiers Otto Mühlberg, in den Adelsstand gelangte, was an seinen Einträgen in den Bonner Adressbüchern ab 1881 nachzuvollziehen ist. Als Leutnant hatte er 1867 noch in der Burgstraße 632 gewohnt, das Haus in der Poppelsdorfer Allee ist in dieser Ausgabe weder unter der Nr. 92 noch unter 132 eingetragen. Das Adressbuch von 1870, das das Haus erstmals erwähnt, verzeichnet Mühlberg als „beurlaubt“. Gleichzeitig nennt die Regimentsgeschichte seine Teilnahme am Krieg 1870/71.
Dass die Annahme Pfennigsdorfs, Mühlberg sei der erste Besitzer des Hauses gewesen und habe es als Hochzeitsgeschenk erhalten nicht unbegründet ist, wird dadurch deutlich, dass Mühlbergs Frau Emma eine geborene Giebert war. Es könnte sich bei den im Adressbuch von 1870 und 1872 genannten Gieberts um Verwandte seiner Ehefrau handeln, von denen das Haus geschenkt wurde. Sehr gut mit den Quellen in Einklang zu bringen ist eine Aktennotiz von Udo Pfennigsdorf, die angibt, das Haus sei am 26. September 1892 durch Frau von Mühlberg verkauft worden: Das Adressbuch von 1892 nennt keinen Besitzer für das leerstehende Haus, Paul von Mühlberg wurde im November 1891 zum 20. Ulanen-Regiment kommandiert, das in Ludwigsburg stationiert war. Mühlberg wurde 1902 als Generalmajor verabschiedet und kehrte nicht mehr nach Bonn zurück.
Eindeutigen Aufschluss über die Erbauungszeit des Hauses gibt ein Zufallsfund: Bei der Restaurierung des Treppenhauses im Jahr 2000 entdeckte man unter den alten Tapeten alte Zeitungen, die als Makulatur aufgeklebt waren. Dabei war eine “Bonner Zeitung” vom Dienstag, 02. Dezember 1856 einwandfrei zu identifizieren. Wenn man das Datum der als Makulatur verwendeten Zeitung von 1856 in engen zeitlichen Zusammenhang zum Erstbezug des Hauses setzt, ist anzunehmen, dass das Haus kaum für den obengenannten Rittmeister als Hochzeitsgeschenk erbaut worden sein kann. Ungeachtet dessen scheint die weiter unten noch genauer beschriebene Anlage eines repräsentativen Hauses mit zwei Toreinfahrten und einem Remisengebäude mit Pferdestall einem Kavallerieoffizier aus vornehmem Regiment geradezu auf den Leib geschneidert.
Die Zeit um die Jahrhundertwende
Die nächsten Eigentümer des Hauses waren ein Pastor Wortmann und seine Frau; sie erwarben das Haus 1892 für die Summe von 40‘000 Mark. Die Adressbücher von 1893 bis 1896/97 nennen den emeritierten Pastor Friedrich Wilhelm Wortmann als im Haus wohnenden Besitzer. Ab dem Adressbuch von 1898 wird Wortmann nicht mehr als im Haus wohnend genannt; die Vermutung liegt nahe, dass er zwischenzeitlich verstorben war und dass mit den bis 1917 als nicht im Hause wohnhaften Besitzern „Wortmann, Biebrich“ seine Hinterbliebenen gemeint sind. Dafür spricht auch, dass auf mehreren von 1905 und 1908 erhaltenen Bauplänen nur von „Frau Wilh. Wortmann“ oder von „der Besitzung der Erben Wortmann“ die Rede ist. Bei den für die nachfolgende Zeit bis 1917 zu ermittelnden Hausbewohnern handelt es sich ausnahmslos um Mieter. Für sie wurden 1908 die Veranden an das Haus angebaut.
Von 1898 bis zur Ausgabe von 1903 nennen die Adressbücher einen Dr. C. Overhage als Hausbewohner, der erst als Rentner, später als Fabrikant und Besitzer der Bleiweissfabrik in Duisdorf geführt wird. Ähnlich finanzkräftig dürfte auch sein in den Ausgaben von 1904 bis 1907/08 genannter Nachmieter Max von Gaudecker gewesen sein, der als Rittergutsbesitzer bezeichnet wird.
Im Jahr 1900 erhielt das Haus anstelle der alten Nummer 92 seine heute noch gültige Hausnummer 108.
Von dem Kutscher Noll einmal abgesehen, sind alle Personen, die im Haus der Familie Wortmann zur Miete lebten, typische Beispiele für das gehobene, finanzkräftige Bürgertum der Bonner Südstadt. Das Haus in der Poppelsdorfer Allee dürfte für die Erben Friedrich Wilhelm Wortmanns eine gute Einnahmequelle gewesen sein. Anfang 1917 ging das Haus in den Besitz der Familie des Stifters über.

Das Haus im Besitz der Pfennigsdorfs
Anfang 1917 erwarben der Theologieprofessor Emil Pfennigsdorf und seine zweite Ehefrau, Erika geb. Otte, die Eltern des Stifters Udo Pfennigsdorf, das Haus für 60 000 Mark. Emil Pfennigsdorf hatte 1913 einen Ruf an die Bonner Universität auf den Lehrstuhl für praktische Theologie der Evangelisch-Theologischen Fakultät erhalten. Der Erwerb des Hauses in der Poppelsdorfer Allee stellte eine erhebliche Investition dar, die mit einem Professorengehalt alleine nicht zu bestreiten gewesen wäre und erst durch das väterliche Erbe der Ehefrau Erika Pfennigsdorf möglich wurde. Udo Pfennigsdorf erinnert sich in der von ihm verfassten Lebensbeschreibung seines Vaters, dass zusätzlich nach dem Ersten Weltkrieg noch eine Aufwertungshypothek aufgenommen werden musste, die nach 1928 zurückgezahlt werden konnte, und dass aus finanziellen Erwägungen die Kinder in Bonn studieren mussten; sparsam lebte man ohnehin (U. Pfennigsdorf, Lebensbeschreibung des Vaters, S. 4). Um sich einen gehobenen Lebensstil leisten zu können, wurden an anderer Stelle durchaus gewisse Zugeständnisse gemacht.
Die Poppelsdorfer Allee war auch zur Zeit des Hauskaufs eine gehobene Wohngegend. Das zeigt ein Blick in das Bonner Adressbuch von 1918/19: Unter den etwa 135 für diese Straße verzeichneten Parteien sind 33 Rentner, acht Professoren sowie zwei Professorenwitwen genannt, außerdem acht Kaufleute, drei Fabrikanten, drei Offiziere und fünf Offiziers- bzw. Generalswitwen, sechs Privatiers, mehrere höhere Beamte und zahlreiche Witwen entsprechender Gehaltsklassen. Neben einigen Hausangestellten (ein Kutscher, ein Diener, außerdem einem Hausverwalter) ist lediglich ein Handwerker, ein Elektro-Meister, aufgeführt.
Wenn man auch 1914 bis 1918 in Bonn vom direkten Kriegsgeschehen des Ersten Weltkrieges lange Zeit kaum behelligt wurde, traf es die Familie Pfennigsdorf dennoch hart: 1916 fiel Hans Pfennigsdorf (*1897), der Sohn Emil Pfennigsdorfs aus erster Ehe, in Frankreich. Gegen Ende des Jahres 1918 hatte man dann laufend Einquartierungen der sich auf dem Rückzug befindenden deutschen Truppen im Haus. Ab Dezember 1918 zogen britische bzw. kanadische Besatzungstruppen in Bonn ein, die auch das Pfennigsdorfsche Haus in Beschlag nahmen und darin eine Offiziersmesse einrichten wollten. So weit kam es allerdings nicht: „Glücklicherweise stellte sich der Empfangsraum vorn als zu klein heraus. So kam die Messe in das Haus nebenan…“ (Lebenserinnerungen E. Pfennigsdorf, S. 223). Dafür mussten Tischzeug, Geschirr und Silber abgeliefert werden und gingen damit verloren; beschlagnahmt wurden von britischen Soldaten lediglich der Pferdestall und die Kutscherwohnung im Garten. „Da es meist ordentliche, gesittete Leute waren, hatten wir von dieser Seite nichts zu leiden“ (ebda, S. 223). Das Stallgebäude wurde mit drei Burschen und sechs Reitpferden belegt.
Fast ebenso glimpflich verlief für das Pfennigsdorfsche Anwesen die von 1920 bis 1926 währende französische Rheinlandbesetzung. Auch die Franzosen wollten Räume des Hauses beschlagnahmen, doch Udo Pfennigsdorf erinnert sich, dass man von der Nachbarschaft vorgewarnt worden war und Vorsorge getroffen hatte, bevor die französische Beschlagnahmungskommission ankam: Die Familie hatte die schönen Möbel in das Mansardgeschoss geschleppt und statt dessen die Zimmer im Parterre mit den hässlichsten Möbelstücken zu Vorlesungsräumen umgestaltet; Emil Pfennigsdorf argumentierte gegenüber der Kommission, eine Einquartierung bei ihm sei ganz unmöglich, weil er für seine wissenschaftliche Arbeit als Professor Ruhe brauche. So konnte die Beschlagnahme des Hauses erneut verhindert werden, das Remisengebäude aber wurde wiederum belegt. Udo Pfennigsdorf behielt die Franzosen in weniger guter Erinnerung, weil sie nicht nur ihre Tiere, sondern auch die Kutscherwohnung schlecht behandelt hatten; sie hatten Tapeten und sämtliche Türfüllungen verheizt (U. Pfennigsdorf, Lebensbeschreibung des Vaters, S. 45).
Nachdem die französischen Soldaten das Anwesen verlassen hatten, wurde das Remisengebäude abgerissen.
1936 wurde Emil Pfennigsdorf emeritiert. Die im darauffolgenden Jahr durchgeführten Umbaumaßnahmen stehen wohl damit im Zusammenhang, denn nun wurde mit dem Einbau von Badezimmern auf allen drei Geschossen das Leben komfortabler und mit der Einrichtung von Küchen in der ersten und zweiten Etage die Küche im Keller obsolet.

(Foto von Katharina „Käthe“ Pfennigsdorf, Cousine des Stifters; zweiter von rechts: Udo Pfennigsdorf im Matrosenanzug)
Während Udo Pfennigsdorf im Verlauf des Zweiten Weltkriegs als Soldat eingezogen wurde, blieben seine Eltern in Bonn. Um den drohenden Bombenangriffen zu entgehen, flohen Emil und Erika Pfennigsdorf Ende September 1944 nach Bad Pyrmont, das als Lazarettstadt durch Luftangriffe weniger gefährdet erschien; sie kehrten am 8. Juni 1945 nach Bonn zurück. Das Haus in der Poppelsdorfer Allee hatte den Krieg ziemlich unbeschadet überstanden. Im zweiten Obergeschoss, im Zimmer über dem Hauseingang, schlug im Oktober 1944 eine Brandbombe ein, die den Boden beschädigte, aber noch rechtzeitig von Pastor Mummenhoff, dem Schwager des Stifters, gelöscht werden konnte. Auch im restlichen Hausinneren herrschte völlige Unordnung, weshalb das Ehepaar Pfennigsdorf nach seiner Rückkehr nach Bonn zuerst in der Händelstraße Quartier nahm. Das Chaos im Haus ging nur zu geringen Teilen auf das Konto der amerikanischen Besatzungstruppen, die sich zwischen Ende März und Juni 1945 in Bonn befanden; hierbei wurden lediglich Brandschäden auf den Parkettfußböden in drei Zimmern verursacht. Viel schwerer wog neben der Unordnung der Verlust von Hausrat und Mobiliar und Ausstattungsstücken. Ein Großteil des Mobiliars konnte später wieder beschafft werden. Bewohner der umliegenden Straße hatten das Haus geplündert, die meisten Stücke wurden daher in den Häusern der näheren Umgebung aufgefunden.
Der Wiedereinzug der Familie in die Poppelsdorfer Allee 108 erfolgte im August 1945. Udo Pfennigsdorf kehrte Anfang Oktober 1945 aus russischer Kriegsgefangenschaft zurück und nahm ab 1946 seine Tätigkeit als Rechtsanwalt wieder auf.
Professor Emil Pfennigsdorf starb am 8. April 1952, seine Frau Erika am 17. Juni 1954. Udo Pfennigsdorf einigte sich mit seinen Geschwistern über das Erbe; 1955 wurde das Haus auf ihn überschrieben.
Die bis heute letzte tiefgreifende Veränderung des Hauses war die Umgestaltung der Innenräume nach der 1965 erfolgten Eheschließung des Stifters mit Hildegard Frettlöh. In diesem Jahr wurden die Zimmer in hellen Farbtönen umgestaltet und so das Raumbild dem moderneren Wohngeschmack des hellen, großzügigen „Altbaus“ angepasst, in dem sich die Räume auch heute noch präsentieren. Dabei wurde die Einrichtung des Hauses nur unwesentlich verändert. Sie entspricht im Großen und Ganzen noch dem von den Eltern des Stifters hinterlassenen Zustand.

Am 3. Dezember 1989 verstarb Dr. Udo Pfennigsdorf. Gemäß seiner testamentarischen Verfügung wurde das Haus in den Besitz der aus seinem Nachlass begründeten Stiftung überführt, die seit dem 8. Juni 1993 als Besitzer des Hauses im Grundbuch eingetragen ist. Die Satzung der gemeinnützigen Stiftung wurde am 9. April 1992 vom Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen genehmigt. Zweck der Stiftung ist die Förderung der Kultur; ihre wichtigste Aufgabe ist die exemplarische Erhaltung des Hauses in der Poppelsdorfer Allee 108 für die Nachwelt.
Seit 1991 ist das Haus als Baudenkmal in die Denkmalliste der Stadt Bonn eingetragen.
1994 wurden von der Stiftung Sanierungsarbeiten am Haus durchgeführt. Dabei wurden die Räume im ersten Obergeschoss renoviert und das Dach sowie das Äußere des Hauses restauriert. Die renovierte Fassade des Hauses wurde 1995 an lässlich des Fassadenwettbewerbs der Stadt und der Sparkasse Bonn von 1994 prämiert.
1997 nahm die Stiftung die Restaurierung der Zimmer im Erdgeschoß in Angriff, im Jahre 2000 das Treppenhaus, und im Jahre 2001 den Ersatz der Fenster im 2. Obergeschoss.

Das Äußere des Hauses
Die Lage des Hauses und das Grundstück
Das Grundstück des Pfennigsdorfschen Hauses liegt an der nordwestlichen, von Bonn aus gesehen rechten Seite der Poppelsdorfer Allee, und zwar genau an der Stelle, an der der gerade Straßenverlauf abknickt und sich die Allee zu der halbkreisförmigen Anlage vor dem Poppelsdorfer Schloss erweitert.
Rückwärtig reicht das Grundstück bis an die Meckenheimer Allee; hier lag das Remisen- und Stallgebäude. Ursprünglich bot das Haus durch die beiden Toreinfahrten an der Meckenheimer- und an der Poppelsdorfer Allee die Möglichkeit, mit der Kutsche standesgemäß vor dem Hauseingang vorzufahren und die Pferde samt Wagen im Nebengebäude unterzubringen. Das Haus schließt nur mit seiner rechten Seite an die Reihenbebauung an, an der anderen Seite ist die Häuserzeile für die Tordurchfahrt unterbrochen, was dem Haus eine signifikante Lage im Straßenbild verleiht und von einem besonderen Anspruch der Erbauer zeugt.
Ursprünglich dürfte die städtebauliche Position des Hauses Nummer 108 noch wesentlich eindrucksvoller gewesen sein: Der Vorgängerbau des 1913 erbauten rechten Nachbarhauses, Nummer 106, war deutlich niedriger; dieses Gebäude dürfte ebenso wie das Pfennigsdorfsche Haus vor 1870 entstanden sein. Das linke Nachbarhaus (Nr. 110) wurde am Anfang des 20. Jahrhunderts um ungefähr ein Drittel verbreitert und mit einer neuen Fassade versehen, so dass die Lücke zwischen den beiden Häusern schmäler wirkt und die freistehende Seitenwand mit dem Eingang des Hauses 108 nicht mehr so dominierend in Erscheinung tritt.
Der Außenbau
Die fünfachsige Straßenfassade des Hauses besteht aus zwei Teilen: Der hervortretende rechte dreigeschossige Teil der Hausfront mit drei Fensterachsen liegt in der Flucht der Bebauung der Poppelsdorfer Allee; die mittlere Fensterachse ist durch die Grundstücksform bedingt abgeschrägt und stellt so die Verbindung zum nach hinten versetzt liegenden linken zweigeschossigen Teil mit dem Satteldach und zwei Fensterachsen her. Diese Fassadengestaltung ist ein Grund, warum die Entstehung des Hauses um 1842, wie sie von Udo Pfennigsdorf angenommen wurde, auszuschließen ist: Zu dieser Zeit hätte man die ganze Fassade weiter nach hinten versetzt und in gerader Flucht erbaut.
Die Fenster und Türöffnungen in allen Geschossen sind hochrechteckig und mit aufgeputzten Pilasterrahmungen mit korinthischen Kapitellen und horizontalen Verdachungen mit Palmettenfriesen versehen. Stuckornamente betonen Kapitell- und Sturzbereiche. Die Fenster der beiden äußeren Fensterachsen sind jeweils als Paar zusammengefasst. Im ersten Obergeschoss der Mittelachse ist ein kleiner Austritt mit gusseisernem Gitter angebracht; die Fensteröffnungen im zweiten Obergeschoss sind mit Brüstungsgittern versehen.
Das Kellergeschoss ragt nur wenig über das Bodenniveau heraus und tritt als Gebäudesockel kaum in Erscheinung. Alle darüber liegenden Stockwerke sind mit feiner Putzbänderung versehen, die beiden Obergeschosse durch durchlaufende Gesimse voneinander abgetrennt, wobei das Gesims zwischen Parterre und erstem Obergeschoss reicher profiliert ist. Das Dach des erhöhten rechten Gebäudeteils wird von einer Attikazone verdeckt, der aus reich ornamentierten Volutenkonsolen hervorwachsende Karyatiden vorgestellt sind, die ein mit einem Zahnschnittfries versehenes Kranzgesims tragen. Zwischen den Karyatiden sind in die Attika Felder mit stuckierten Ornamenten eingelassen.
Die Eingangstür in der Mitte der linken Seitenwand des Hauses ist original erhalten.
Die dem Garten zugewandte Rückseite des Hauses ist schmucklos. Einziges Dekorationselement ist der auch an den beiden anderen Seiten des Hauses vorhandene Zahnschnittfries unter der Dachtraufe. Schöne Verzierungen zeigt auf der Gartenseite die Eisenkonstruktion der 1908 angebauten zweigeschossigen Veranda, die 1912 verglast wurde, sodass auf Erdgeschossebene der Wintergarten entstand.
Die schlicht und nüchtern gehaltene Gartenfront ist für die Häuser der Bonner Südstadt typisch. Während die Straßenfassade einen Repräsentationsanspruch zu erfüllen hatte, war der Garten ein privater, durch Mauern vom Nachbargrundstück abgeschiedener Bereich.
Es ist davon auszugehen, dass das Gebäude immer in weißer Farbe gestrichen war, wobei ein leichter grauer oder ockerfarbener Einschlag denkbar wäre. Im Vergleich zu einigen in den beiden letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts entstandenen reich dekorierten Häusern der Südstadt wirkt das Pfennigsdorfsche Haus in seinem noblen, aber zurückhaltend spätklassizistischen Stil eher unauffällig.





Garten und Remisengebäude
Wie der Garten des Hauses in der Poppelsdorfer Allee 108 zur Zeit der Erbauung gestaltet war, ist nicht bekannt. Im hinteren, an die Meckenheimer Allee angrenzenden Teil des Grundstückes befand sich das bereits erwähnte Remisengebäude, das 1925 abgerissen wurde. Über das Aussehen des Remisengebäudes sind keine Aussagen mehr zu machen; es existieren lediglich noch Pläne mit dem Grundriss des Erdgeschosses und eine Beschreibung von Udo Pfennigsdorf, wonach sich im Garten ursprünglich „ein großer Pferdestall mit 6 Pferdeboxen, einer Sattelkammer, einer Wagenremise, einer Kutscherwohnung bestehend aus 2 Zimmern, einem Trockenboden und einem Heuboden“ befunden habe (U. Pfennigsdorf. Lebensbeschreibung des Vaters, eingefügtes Blatt o. S.).
Ob der in den Bonner Adressbüchern von 1910/11 bis 1913/14 als im Hause wohnhaft gemeldete Kutscher Joh. Noll in den Wohnräumen dieses Nebengebäudes gelebt hat, ist nicht mehr zu klären. 1958 wurde die zur Meckenheimer Allee hin gelegene Garage erbaut.
Vom März 1925 hat sich ein Gartenplan des Gartenarchitekten C. Röthe erhalten, der den Abriss des Remisengebäudes schon einplant und an Stelle des Pferdestalles einen von Hecken umrahmten Sitzplatz im Grünen vorsieht. Die Gartenanlage ist auf dem Plan ringsum von den wohl noch aus der Erbauungszeit des Hauses stammenden Mauern umgeben, die mit Sträuchern und Spalierobstrabatten begrünt sind. Auf den Flächen dazwischen sind Rosenbeete und Blumenrabatten vorgesehen. Diese Gartenanlage hat bis ungefähr 1965 bestanden, als sie der heutigen Anlage wich.
Die Einfriedung des sehr schmalen Vorgartenbereichs vor der Straßenfassade des Hauses stammt noch von 1905.
Das Innere des Hauses
Grundsätzliches
Über die ursprüngliche Nutzung der Räume zur Zeit der Erbauung um 1870 gibt es keine Nachrichten mehr. Allerdings ist anzunehmen, dass die Raumzuordnung den Gepflogenheiten der Zeit entsprach. Es ist davon auszugehen, dass die Räume im etwas über dem Straßenniveau erhöhten Parterre in erster Linie repräsentative Funktion hatten und zum Empfang von Gästen genutzt wurden. Die Küche sowie weitere Versorgungs- und Vorratsräume, in denen das Personal tätig war, lagen im Souterrain; durch einen Speiseaufzug bestand eine Verbindung ins Parterre und in das erste Obergeschoss.
Im ersten Obergeschoss waren die Wohnräume der Familie, vielleicht auch ein Schlafraum; der Grundriss entspricht weitestgehend dem des Erdgeschosses. Im zweiten Obergeschoss befanden sich die Schlafräume (zumindest für die Kinder); die durch Dachschrägen wenig komfortablen Kammern haben die Hausangestellten bewohnt.
Der Grundriss des Hauses der Stiftung Pfennigsdorf ist, von den geringfügigen Maßnahmen des Umbaus von 1937 abgesehen, in allen Geschossen original erhalten.
Dadurch, dass die Bauakte des Pfennigsdorfschen Hauses nur bis ins Jahr 1905 zurückreicht, sind leider keine definitiven Aussagen über die technische Ausstattung des Hauses zu machen, man ist hier auf Vermutungen angewiesen: Man kann davon ausgehen, dass die bis 1965 in den Räumen erhaltenen Gaskamine aus der Erbauungszeit stammten; die Zentralheizung mit teilweise sehr elegant in die Ecken der Räume integrierten Heizkörpern könnte in der Zeit um die Jahrhundertwende eingebaut worden sein. Ursprünglich war im Haus Gasbeleuchtung vorhanden, Reste der Gasleitungen sind noch zu sehen; Elektrizität dürfte erst im frühen zwanzigsten Jahrhundert installiert worden sein.
Aufgrund des mehrmaligen Wechsels der Hausbewohner kann man nichts mehr über die ursprüngliche Möblierung und Ausstattung des Hauses sagen. Mit Sicherheit waren die Räume der Poppelsdorfer Allee 108 ursprünglich ein zeittypisches Abbild der repräsentativen, aber völlig nach innen gekehrten Bürgerlichkeit des 19. Jahrhunderts. Man schätzte damals Anstriche, Tapeten und schwere Vorhangstoffe in erdigen und dunklen Farben, in entsprechenden Tönen bemalte Zimmerdecken und dunkel gehaltene Möbel; durch z.T. farbig bemalte und verhängte Fenster drang nur wenig direktes Tageslicht ein, und all dies sollte ein Gefühl privater Geborgenheit vermitteln. So wie auch der von Mauern umgrenzte Garten eine abgeschiedene, private Idylle darstellen sollte, wollte man die Umwelt aus dem Leben im Haus heraushalten. Der Ausblick in die Natur war zweitrangig, obwohl zur Zeit der Erbauung des Hauses kurz vor 1870 die Poppelsdorfer Allee am Rande eines noch lückenhaften Neubaugebietes und damit geradezu noch mitten im Grünen lag.
Ursprünglich waren im Inneren des Hauses sämtliche Holzteile dunkel bzw. schwarz gestrichen, also z.B. die Fußbodenleisten, der Wintergarten und auch die Türen, die in mattem Schwarz gehalten waren und deren schwarz glänzende Innenfelder durch goldene Leisten abgesetzt wurden. Diese originale Fassung wurde erst 1965 überstrichen, die Holzteile sind heute sämtlich in weiß gehalten. Die Fensterrahmen waren außen dunkelbraun und innen zumindest schon seit 1937 weiß.

Auch die Decken, die spätestens 1937, wahrscheinlich aber schon früher weiß überstrichen worden sind, waren ursprünglich bemalt, worüber anlässlich der 1997 durchgeführten Renovierung der Räume im Erdgeschoss genauere Erkenntnisse gewonnen werden konnten.
Wie die Zimmer zur Zeit der Eltern des Stifters aufgeteilt waren, lässt sich allenfalls noch vermuten. Es gibt aber Berichte, dass Emil Pfennigsdorf als Theologieprofessor auch zu Hause Lehrveranstaltungen abhielt, was angesichts der damaligen Studentenzahlen durchaus noch üblich war. Er nutzte dazu wohl die Räume des Erdgeschosses.

Beim 1937 erfolgten Umbau stand die Verbesserung des Wohnkomforts im Vordergrund. Anstelle der Toiletten auf den Treppenabsätzen wurde in allen drei Etagen ein Badezimmer eingebaut und im Erdgeschoß sowie im ersten Obergeschoss eine Küche eingerichtet – man war nun nicht mehr auf die Küche im Keller und damit auch nicht mehr so sehr auf Personal angewiesen. Bei dieser Gelegenheit wurde auch die Ecke des Raumes im ersten Obergeschoss neben dem Wohnzimmer, der fortan als Speisezimmer diente, abgeschrägt. Durch diese so verschobene Wand, in die eine Tür gesetzt ist, wurde ein direkter Zugang von der neu eingerichteten Küche ins Treppenhaus ermöglicht.
Die frühesten erhaltenen Innenaufnahmen von 1935/36 zeigen, dass unter Emil und Erika Pfennigsdorf noch sehr viel von der nach unserem heutigen Geschmack eher düsteren Raumatmosphäre des späteren 19. Jahrhunderts erhalten geblieben war. Diese Fotos, die von Gisela Mummenhoff geb. Pfennigsdorf, einer Schwester des Stifters, aufgenommen worden sind, dokumentieren den Zustand des Hauses vor dem Umbau.
Mit Aufnahme seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt seit 1942 bzw. nach der Unterbrechung durch den Krieg ab 1946 nutzte Udo Pfennigsdorf die Räume im Erdgeschoss als Wohn- und Kanzleiräume. Seit 1955, nach dem Tod seiner Eltern und nach erfolgter Aufteilung des Erbes unter seinen Geschwistern, dienten die Räume im Erdgeschoß als Anwaltskanzlei, das erste Obergeschoss als Wohnetage, und im Dachgeschoß wurden zwischen 1955 und 1965 zwei möblierte Zimmer an Studenten vermietet.

Die schon erwähnte dunkle Raumfassung mit den schwarz gehaltenen Türen und Holzteilen wurde erst 1965 beseitigt; im Rahmen dieser Modernisierung wurden auch die zum Originalbestand des Hauses gehörenden Gaskamine, die inzwischen nur noch zur Zierde vorhanden waren, entfernt. Die heute vorhandene Möblierung stammt im Wesentlichen noch von den Eltern des Stifters, einige Stücke, die auf den genannten Fotos von 1935/36 abgebildet sind, befinden sich allerdings nicht mehr im Haus; sie verschwanden durch die Plünderungen nach dem Zweiten Weltkrieg, aber auch durch die Aufteilung des elterlichen Erbes unter den Geschwistern.
Auch die sonstige Ausstattung der Zimmer übernahm der Stifter von seinen Eltern: In den Räumen finden sich neben einigem „Nippes“ Reiseandenken des verehrten Vaters (insbesondere von dessen Italien- und Nahostreisen) u.a. Ölgemälde, die von der Mutter in der Zeit um die Jahrhundertwende gemalt wurden.
Es hat sich, trotz aller Umgestaltungen, doch die Atmosphäre aus der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts im Haus bewahrt: In den Geschirrschränken befinden sich noch das zeitgenössische Porzellan und entsprechende Gläser, in Schränken alter Hausrat und Bettwäsche, in anderen Schränken sind noch unveröffentlichte Manuskripte des Professors sowie von ihm erworbene Sprachführer, Operntexte, Reiseprospekte und derlei Dinge vorhanden. Es scheint fast, als sei an manchen Stellen im Haus des Stifters mit dem Tod seiner Eltern die Zeit stehengeblieben. So wird offensichtlich mit der Erhaltung des Hauses nicht allein das häusliche Umfeld Udo Pfennigsdorfs, sondern gleichzeitig auch die vom 19. Jahrhundert geprägte Lebenswelt der gehobenen bürgerlichen Klasse konserviert.

In dem als Vestibül dienenden Eingangsflur hat sich der schwarzweiße Marmorfußboden aus der Erbauungszeit erhalten. Hinter einem mit reich ornamentierter Kapitellzone versehenem Bogen, der ursprünglich auch dunkel gestrichen war, öffnet sich das Treppenhaus. Das offene Treppenhaus, das hier unangetastet geblieben ist, stellt – was hervorgehoben werden muss – unter den Häusern der Poppelsdorfer Allee inzwischen eine Seltenheit dar; oft hat man in den Einfamilienhäusern abgeschlossene Etagenwohnungen eingerichtet. Die Wände des Treppenhauses mit seiner hölzernen Treppe waren ursprünglich mit einer dunklen ungefähr 1 m hohen Sockelzone aus Likrusta verkleidet und in rostrotem Ton gestrichen. Über diesem Sockel war eine ockerfarbene Tapete geklebt.
Badezimmer auf den Etagen gab es ursprünglich keine; es befanden sich lediglich zwei oder drei Toilettenräume in den Zwischengeschossen auf den Treppenabsätzen. Dies wurde durch die Umbaumaßnahmen von 1937 verändert.
Dabei richtete man im Erdgeschoss eine Küche und ein Badezimmer ein.
Der Empfangsraum
Von der ursprünglichen Farbfassung dieses Raumes waren bei der Freilegung anlässlich der Restaurierung der Räume des Erdgeschosses nur noch Reste der Deckendekoration vorhanden. Die Deckenkehle war mit einem in rötlichbrauner Farbe gemalten Palmettenfries versehen; um die schlichte, runde Stuckrosette in der Deckenmitte waren noch schemenhafte Reste von Ornamentmalereien auf bläulichem Grund zu erkennen, die sich allerdings nur noch sehr schlecht erhalten hatten.
Dieser Raum, der als Arbeitsraum für die Sekretärin der Anwaltskanzlei Udo Pfennigsdorfs diente, wird heute als Büro des Geschäftsführers der Stiftung genutzt. Daher finden sich hier keine besonders wertvollen Ausstattungsstücke; das Büromobiliar stammt im Wesentlichen aus den 1950er Jahren und ist eher zweckmäßig, zeugt aber dennoch vom sehr konservativen Geschmack des Stifters. Von „Nierentischatmosphäre“ ist hier nichts zu spüren.

Der untere Salon
Bei diesem Zimmer handelte es sich ursprünglich wohl um den wichtigsten und repräsentativsten Raum des Hauses, um den Salon. Dieser Raum besaß einen offiziellen Charakter, hier empfing man seine Gäste, hier wurde der gesellschaftliche Status am deutlichsten präsentiert. Dementsprechend war der Raum zur Zeit der Erbauung des Hauses sicher auch mit dem aufwendigsten Mobiliar und dementsprechender Ausstattung versehen. Eine Ahnung davon kann noch die Deckengestaltung vermitteln, deren Stuckatur die prunkvollste des ganzen Hauses ist. Während der Renovierung des Raumes 1997 wurde an einigen Stellen die ursprüngliche Farbfassung der Decke freigelegt.

Im Zentrum der Decke ist eine ausgreifende Stuckrosette in Formen des Neubarock bzw. Neurokoko angebracht. Um das Zentrum der Rosette sind im Wechsel Obstschalen tragende Putten und mit Masken verzierte Volutenkonsolen gruppiert, um die rocaillenartige und vegetabile Formen herumranken. Über die ursprüngliche Fassung der Stuckaturen sind keine Aussagen mehr zu machen, sie erscheint grünlich; zumindest Teile von ihr dürften aber vergoldet gewesen sein.
Die Rosette befindet sich in einer oktogonalen Fläche, die von mit Eierstabprofil versehenen (hölzernen) Leisten gerahmt ist. Innerhalb dieser Leiste ist ein Fries mit Blütenranken in dunklerer blauer Farbe auf den bläulichen Grund gemalt. Um dieses oktogonale Feld herum sind mit profilierten Holzleisten trapezförmige Felder abgeteilt, in die mit goldener Farbe auf weinrotem Grund Palmettenornamente gemalt sind. Durch eine Kammtechnik wird der Eindruck von einer brokatähnlichen Stoffbespannung hervorgerufen. In die beiden ebenfalls von Holzleisten eingerahmten dreieckigen Felder auf der vom Fenster abgewandten Seite der Decke sind Rankenmotive gemalt, die täuschend echt eine Holzintarsienarbeit nachahmen. Die Streifen zwischen den einzelnen, durch die Leisten abgetrennten Feldern sind in hellem Braun gehalten und mit imitierter Holzmaserung versehen. Sämtliche Malereien sind direkt auf den Deckenverputz gemalt. Das Ganze ist umrahmt von profilierten, mit einer Schablone gezogenen Stuckleisten über und unter der die Wand und Decke verbindenden Deckenkehle. Auch sämtliche Leisten dürften farbig gefasst gewesen sein. Bei der Gestaltung der Decke wurde versucht, eine Holzkassettendecke zu imitieren. Es handelt sich aber um eine typisch historistische, freie Interpretation älterer Motive; die ausladende Deckenrosette in Neurokoko-Formen scheint zu den eher flachen, die Decke gliedernden Leisten nicht so recht zu passen. Es wäre zumindest theoretisch denkbar, dass die Rosette erst einige Jahre nach der Erbauung in die Decke eingesetzt wurde und ein flacheres, klassizistisches Vorgängerstück ersetzte, zumal das Neurokoko erst in den Jahren um 1890 in der Südstadt modern wurde. Da die Rosette in sehr aufwendiger Weise in die Deckenstruktur eingesetzt ist, erscheint dies fragwürdig.
Bei der Restaurierung ergaben sich auch Erkenntnisse über die ursprüngliche Gestaltung der Wände: Im selben dunklen, fast schwarzen Farbton, in dem Türen und Fußbodenleisten gestrichen waren, war eine dunkle Sockelzone mit Ölfarbe direkt auf den Verputz der Wände gemalt, wobei man eine Holzmaserung nachahmte. Darauf waren mit profilierten Holzleisten Rahmenfelder aufgenagelt (die Nagellöcher sind noch erkennbar), so dass eine Holzvertäfelung der Sockelzone imitiert wurde (diese Holzleisten sind – weiß überstrichen – hinter den Heizkörpern unter den Fenstern noch vorhanden, wahrscheinlich waren sie ursprünglich in goldener Farbe gefasst). Über dieser Sockelzone befindet sich eine schmale, heute mit Gips zugefüllte Rille. Offenbar waren hier die Holzleisten des Rahmens eingelassen, auf den man eine bis unter die Deckenkehle reichende Textiltapete gespannt hatte.
Aus finanziellen Gründen hat man im Salon (wie in den anderen Räumen auch) auf eine Wiederherstellung der originalen Raumfassung verzichtet, die Wände tapeziert und die freigelegten Deckendekorationen wieder überstrichen. Eine Rekonstruktion der originalen Deckenfassung wäre unbezahlbar und würde außerdem die Raumatmosphäre nachhaltig verändern. Wenn der Gedanke einer Rekonstruktion auch reizvoll erscheint, ist dennoch zu bedenken, dass die moderne, helle Raumfassung auch zur Geschichte des Hauses gehört und dass der Stifter die ursprüngliche farbige Deckengestaltung wohl nie zu sehen bekommen hat.
Udo Pfennigsdorf nutzte diesen Raum bei seiner Anwaltstätigkeit als Sprechzimmer, hier stand noch bis zur Bestuhlung des Raumes sein Schreibtisch, der heute im Gartenzimmer steht. Das Mobiliar in diesem Raum entstammt der Zeit um die Jahrhundertwende. Ein neubarock anmutendes Sofa ist besonders hervorzuheben. Dieses Sofa stammt wie die beiden dazugehörigen Sessel von der Witwe Sophie Breuer, die einige Jahre im Haus zur Miete lebte und im Adressbuch von 1941/42 genannt wird. Auch die Sessel wurden zu Gunsten der Bestuhlung ins Gartenzimmer verbannt. An den Wänden hängen zahlreiche Reiseandenken von den Orientreisen des Vaters des Stifters.
An der Wand zum Treppenhaus befindet sich ein Ölgemälde von Carl Nonn, das signiert, aber nicht datiert ist. Der Titel des Landschaftsgemäldes „Eifelwald“ steht auf der Rückseite der Leinwand neben einer weiteren Signatur des Künstlers. Carl Nonn (1876-1949) lebte in Bonn und malte hauptsächlich Landschaften der Bonner Umgebung, vor allem der Eifel.
Das alte Speisezimmer
Bei diesem zum Garten hin gelegenen Raum dürfte es sich um das ursprüngliche Speisezimmer des Hauses gehandelt haben. In der Regel dienten die der Straße zugewandten Räume im Erdgeschoss der Südstadthäuser zum Empfang der Gäste und das zum Garten hin gelegene Zimmer als Speiseraum, an den sich häufig noch ein Wintergarten anschloss. Dass der Speiseaufzug nicht in dieses Zimmer mündet, mag bautechnische Gründe haben und dem nicht grundsätzlich widersprechen.
Eine alte Aufnahme von 1935/36 zeigt seitlich der Doppeltür zum Wintergarten die einzigen damals noch erhaltenen, entweder beim darauffolgenden Umbau beseitigten oder im Zweiten Weltkrieg zerstörten farbigen Bleiverglasungen aus der Erbauungszeit. Es ist davon auszugehen, dass ursprünglich zumindest in den repräsentativeren Räumen farbige Glasfenster vorhanden waren.
Bei der Restaurierung des Raumes 1997 waren keine nennenswerten und aussagekräftigen Reste der ursprünglichen Farbfassung festzustellen. Udo Pfennigsdorf diente dieser Raum bis 1955 als Schlafzimmer, danach wurde er als weiterer Büroraum für die Anwaltskanzlei als sogenanntes „Referendarszimmer“ genutzt.
Das heute in diesem Raum stehende Mobiliar stammt im Wesentlichen wohl aus dem späten 19. Jahrhundert. Die Ölgemälde in diesem Raum wurden in der Zeit um die Jahrhundertwende von Erika Pfennigsdorf gemalt.
Der Wintergarten
1908 wurde eine zweigeschossige Veranda angebaut. Schon 1912 wurde der untere Teil der schönen Eisenkonstruktion verglast und so im Erdgeschoss der Wintergarten geschaffen. Der Wintergarten, von dem aus eine Tür in den Garten führt, besitzt ein großes Fenster, das mittels eines Hebemechanismus nach oben geschoben und so komplett geöffnet werden konnte. Dieser Mechanismus funktioniert leider nicht mehr, seine Wiederherstellung wäre zu aufwendig.
Das erste Obergeschoss
Vom Treppenhaus aus gesehen rechts führt ein kurzer Gang zum Badezimmer und zur 1937 eingerichteten Küche, in der sich modernes Küchengerät, aber auch Mobiliar von 1915 befindet.
Bei der Renovierung der drei Wohnräume in dieser Etage, die sich heute in grünlich hellgetönten Farben mit weißen Decken präsentieren, wurden an den Decken schwache Reste alter Farbfassung entdeckt, die nicht dokumentiert worden sind.
Das Wohnzimmer
Bei dem über dem Salon im Parterre liegenden Zimmer im ersten Obergeschoss handelt es sich um das Wohnzimmer oder die „gute Stube“ des Einfamilienhauses. Die Decke ist im Gegensatz zu der im Salon nicht in einzelne Felder aufgeteilt, besitzt dafür aber Stuckornamente vor den Raumecken; die große Rosette in Neurokoko-Formen ist nicht ganz so detailreich wie unten und ohne Putten gestaltet.
Das Mobiliar ist im Wesentlichen historistisch und um 1900 entstanden, teilweise mit einem neubarocken Einschlag. Besonders bemerkenswert ist die jüngst restaurierte Sitzgruppe. An der der Fensterfront gegenüberliegenden Wand zum Treppenhaus steht eine Truhe, die wohl um die Mitte des vorletzten Jahrhunderts entstanden ist.
Darüber hängt ein großes Ölgemälde, das mit “M. Dahmann” signiert ist und den Gardasee darstellt. Das Bild soll Ende des 19. oder Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden sein und von einem Maler aus der Düsseldorfer Schule stammen.
In der Ecke neben der Tür zum Treppenhaus hängt ein Stuckrelief, das die Geschichte von Pygmalion darstellt, einem Stoff aus Ovids Metamorphosen (Ov.Met.X 243-298): Pygmalion, ein König von Kypros, verliebt sich in das von ihm selbst geschaffene Standbild eines Mädchens. Venus erhört seinen Wunsch und erweckt die Elfenbeinskulptur zum Leben, worauf Pygmalion sie zur Gattin nimmt. Das Flachrelief besitzt eine Signatur des spätklassizistischen Bildhauers Carl Gundelach (1856-1926; ein Verwandter der Familie Erika Pfennigsdorf, geb. Otte) und ist auf 1904 oder 1911 datiert; die Gussqualität erscheint allerdings eher bescheiden.
An der Wand zum heutigen Speisezimmer hängt ein von Carl Jordan signiertes, nicht datiertes Ölgemälde, das einen Eremiten in einer an den Umkreis Moritz von Schwinds erinnernden Waldwildnis darstellt. Der Maler Carl Jordan, der 1863 in Bozen in Südtirol geboren wurde, war Schüler an der Münchner Akademie unter anderem bei Franz von Defregger. 1891 bis 1910 lehrte er selbst an der Kunstgewerbeschule in Straßburg. Die Hauptthemen seiner Malerei waren Stoffe der deutschen, vor allem aber der Tiroler Geschichte und Sagenwelt, aber auch Genre, Landschaften und religiöse Motive.
An der Wand zum Nachbarhaus hängt ein 1929 von Paul Tyroff signiertes, nicht datiertes in Öl gemaltes Porträt von Emil Pfennigsdorf, das ihn in der Pose des lehrenden Professors über aufgeschlagenen Büchern zeigt. Tyroff, der 1873 in Ranis in Thüringen geboren worden war, studierte an den Akademien in Düsseldorf und in München und war als Bildnismaler in Oberkassel bei Bonn tätig. An der gegenüberliegenden Wand neben dem Durchgang zum Speisezimmer hängt das dazugehörige 1930 datierte Pendant, das ebenfalls von Tyroff gemalt wurde und Erika Pfennigsdorf darstellt.
Auf dem Bücherregal neben dem Fenster steht eine Kopfbüste Emil Pfennigsdorfs aus Ton, die kurz nach dem Zweiten Weltkrieg von dem mit der Familie befreundeten Studienrat W. Franke geschaffen wurde; sie ist mit der Signatur WF versehen, aber nicht datiert. Ebenfalls von Franke existiert im Haus eine Kohlezeichnung, die Pfennigsdorf porträtiert.
Das Gartenzimmer oder Schlafzimmer
Dieser Raum, der wie sein Pendant im Erdgeschoß nur eine bescheidene Deckenstuckatur besitzt, ist ein Schlafzimmer gewesen. Von hier ist der Balkon über dem Wintergarten zugänglich. In diesem Zimmer befinden sich heute die bemerkenswertesten Möbelstücke des Hauses: Der Fassadenschrank mit Kugelfüßen, Pilastern und schön geschnitzten korinthischen Kapitellen in der Art Frankfurter Schränke dürfte um 1700 zu datieren sein. Der Schreibschrank neben dem Fenster stammt aus dem 18. Jahrhundert; aufgrund seiner zurückhaltenden Formgebung kann man ihn als bürgerliches Möbelstück der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts einschätzen. Ebenso bemerkenswert ist die außergewöhnlich gut erhaltene Sitzgruppe mit einem Sofa und zwei Sesseln aus der Zeit um 1910, die offensichtlich sehr schonend behandelten Samtbezüge zeigen Jugendstilornamente.
Die ursprünglich dem Wintergarten im Erdgeschoss zugehörige Truhe wurde nach ihrer Restaurierung in diesem Raum untergebracht.
Über diesem Sofa hängt ein großes Ölgemälde, das mit „P. Bücken“ signiert aber nicht datiert ist und eine pastorale Szene in abendlicher Stimmung mit Rindvieh am Waldessaum darstellt. Der 1830 in Burtscheid geborene Paul Bücken studierte an der Düsseldorfer Akademie (bei Johann Wilhelm Schirmer und Carl Friedrich Lessing) und lebte einige Jahre in München und vor allem in Aachen, wo er 1915 starb. Sein Werk beinhaltet hauptsächlich idyllische Landschaften (oftmals Eifellandschaften) mit Menschen und vor allem Tieren als Staffage. Bücken, der zu den bedeutenderen Vertretern der rheinischen Landschaftsmalerei zählt, malte in seinem späteren Werk großflächigere Bilder in „zarter silbergrauer Farbigkeit“ (Saur, Allgemeines Künstlerlexikon. Hrsg. v. Günter Meißner. Bd. 15, München/Leipzig 1997, S. 25). Dieser Phase ist das Gemälde zuzurechnen, wozu auch der wohl zwischen 1890 und 1910 entstandene Rahmen passt.
An der linken Wand des Zimmers hängt eine Kohlezeichnung mit dem Portrait Udo Pfennigsdorfs, die 1929 von Willy Stucke angefertigt wurde. Der Bonner Künstler Willy Stucke, der nicht mit seinem gleichnamigen Vater zu verwechseln ist und ebenfalls Maler war, lebte von 1909 bis 1987 in Bonn und wirkte in erster Linie als Maler und Graphiker. Der Stifter und Stucke hatten sich in ihrer Studienzeit angefreundet; aus dieser Zeit stammt auch die Zeichnung.
Das heutige Speisezimmer
Dieser Raum, der zumindest seit dem Umbau von 1937 als Esszimmer benutzt wurde, besitzt eine dem Wohnzimmer ähnelnde Stuckdecke mit Ornamenten des Neurokoko.
Beim Mobiliar handelt es sich um ein komplettes Ensemble, das aus einem Geschirrschrank, einer Anrichte, dem Esstisch und Stühlen besteht und das wohl kurz nach 1900 entstanden ist. Vor allem der Geschirrschrank, in dem sich zeitgenössische Gläser befinden, und die dazugehörige Anrichte sind bemerkenswert. Die Stücke sind in einem konservativen, von historistischen Zügen durchdrungenen Jugendstil mit Säulenmotiven gestaltet.
In einer Ecke des Raumes steht ein Schaukelstuhl aus der Fabrikation von Michael Thonet, der kurz nach 1860 entstanden sein dürfte. Thonet (1796-1871) hatte 1857 eine Methode entwickelt, Rundhölzer mit Wasserdampf biegsam zu machen (sog. Bugholz) und so Möbel in völlig neuen Formen industriell herstellen zu können. Es handelt sich um das mit Sicherheit innovativste Möbelstück im Hause, das nicht so recht zum betont konservativen Geschmack der Pfennigsdorfs zu passen scheint. Wahrscheinlich ist dieser Stuhl ein Stück, das die Mutter des Stifters, Erika Pfennigsdorf, geborene Otte, von ihrer Mutter geerbt hat.
Von Erika Pfennigsdorf stammen auch zwei Gemälde im Raum, an dessen Rückwand außerdem noch ein großes Ölbild hängt, das mit „Theen-Kneiss“ signiert ist und eine herbstliche Flussuferlandschaft darstellt.
Das zweite Obergeschoss
Ursprünglich dürften sich hier die Räume der Dienstboten befunden haben, außerdem auch das eine oder andere Schlafzimmer der Familie (zumindest für Gäste oder Kinder). 1937 wurde auch in dieser Etage ein Badezimmer mit Toilette installiert, außerdem die zum Garten gerichtete Dachterrasse gebaut.
Das Dachgeschoß ist heute vermietet und wird daher nicht für die Belange der Stiftung genutzt.
Der Keller
Wenn man in den Keller hinabsteigt, entdeckt man auf dem Treppenabsatz ein halbhohes Türchen, an dessen Stelle sich früher die Tür zu einem der Toilettenräume des Hauses befand. Ursprünglich war der Keller, der heute im Wesentlichen nur noch als Abstellraum dient, das Reich der Bediensteten des Hauses, hier befanden sich die Versorgungsräume und vor allem die Küche.
Unter dem Treppenabsatz liegt eine relativ niedrige Kammer, die wohl als Kohlenkeller diente. Vom Fuß der Treppe aus gesehen links führt eine Tür in einen großen Raum, wohl die ehemalige Spülküche (ein großes Waschbecken ist noch vorhanden), an den zum Garten hin ein Raum angebaut ist, bei dem es sich um die Substruktion der 1908 angebauten Veranda handelt. Zur Straße hin schließt sich die eigentliche Küche an, die bis zum Umbau von 1937 in Betrieb war und in der wohl auch die Mutter des Stifters, Erika Pfennigsdorf, mit ihrem Personal gekocht haben wird. Hier haben sich um das Waschbecken aus der Erbauungszeit stammende Wandfliesen erhalten. Nebenan liegt die Speisekammer, in der sich bis 1995 in Wandschränken noch alte Einmachgläser befanden. Eine weitere Tür führt von der Küche in den Vorraum der Speisekammer, von dem aus der aus der Erbauungszeit des Hauses stammende Speiseaufzug bedient wurde. Der Aufzug funktionierte nach dem Prinzip eines Flaschenzugs, er wurde mit einer Kurbel betrieben und reichte ursprünglich bis ins zweite Stockwerk. Er wurde im Obergeschoss anlässlich der Renovierungsarbeiten im Jahre 1965 abgerissen. Der Schacht dient im Parterre noch als “Einbauschrank”.
Der Speiseaufzug ist auch von der anderen Seite, aus dem großen Vorratskeller, zugänglich. In diesem Raum stehen noch alte Wein- und Obstregale sowie Kartoffelgestelle. Dass das Weinregal und die einzelnen Obststeigen abschließbar sind, zeigt, dass sie in einer Zeit angeschafft wurden, als man noch Personal im Haus hatte (gegenüber dem man wohl etwas misstrauisch war). Um die Ecke befindet sich noch ein weiterer Vorratsraum. Nebenan ist die Waschküche, in der ein Schild an der Heizungspumpe mit der Aufschrift „Zur Beachtung! Die Heizung ist stets mit Regenwasser zu speisen“ von der Sparsamkeit der Hausbewohner zeugt. Im Hof befand sich eine Zisterne für das vom Hausdach zugeleitete Regenwasser.
Das Haus in der Gegenwart
Anlässlich der 1991 erfolgten Eintragung des Hauses in die Denkmalliste der Stadt Bonn begründete die Untere Denkmalbehörde die Denkmaleigenschaften (gem. § 2 DSchG NW) folgendermaßen:
Das Gebäude der Poppelsdorfer Allee 108 ist eines der ganz wenigen Häuser aus dieser Zeit, das sich ohne nennenswerte Veränderungen insbesondere des äußeren Erscheinungsbildes bis heute erhalten hat….
… Neben dem äußeren Erscheinungsbild ist auch die innere Raumaufteilung und Ausstattung der Häuser von Bedeutung, da sie Zeugnisse über die Wohnverhältnisse und -Kultur ihrer Entstehungszeit ablegt. Das Gebäude ist folglich als Ganzes ein soziokulturelles Dokument der zeitgenössischen Lebensverhältnisse.
An der Erhaltung und Nutzung des in spätklassizistischen Formen erbauten Gebäudes besteht aus wissenschaftlichen (siedlungs-, stadt- und architekturgeschichtlichen) Gründen ein öffentliches Interesse.
Die beispielhafte Erhaltung des Hauses in dem von ihm hinterlassenen Zustand war auch ein wesentliches Anliegen des Stifters Udo Pfennigsdorf im Zusammenhang mit seiner testamentarischen Verfügung, von seinem Vermögen eine Stiftung zur Förderung der Kultur zu gründen. In der Satzung der Stiftung Pfennigsdorf heißt es: „… das unter Denkmalschutz stehende eingerichtete Bürgerhaus mit Tradition in Bonn, Poppelsdorfer Allee 108, ist für die Nachwelt zu erhalten. Entsprechend seiner Zweckbestimmung ist die Einrichtung des Hauses weiter mit gutem, antikem deutschem Mobiliar zu vervollständigen und sind die Bilder z.B. durch ältere, gute Landschaftsbilder zu ergänzen. Das Bürgerhaus wird gegebenenfalls mit dem Rheinischen Landesmuseum Bonn der interessierten Öffentlichkeit zugänglich gemacht.“
Es mag in Bonn sicherlich Häuser aus dem 19. Jahrhundert geben, die über eine wesentlich anspruchsvollere Architektur verfügen oder eine luxuriösere, wertvollere Einrichtung oder kunsthistorisch bedeutendere Ausstattung besitzen. Das Gebäude in der Poppelsdorfer Allee 108 ist jedoch als Bauwerk schon aufgrund seiner hervorgehobenen Lage und der weitestgehenden Erhaltung der originalen Bausubstanz bemerkenswert. Das Herausragende an der Einrichtung im Haus der Stiftung Pfennigsdorf liegt weniger im kunsthistorischen Wert einzelner „Highlights“, als vielmehr in der Gesamtheit von Einrichtung und Hausrat. Hier wird ein von der späteren Zeit fast unangetastetes, nahezu vollständiges Bild des Ambientes vermittelt, in dem ein von der bürgerlichen Kultur des 19. Jahrhunderts geprägter Bonner Professor in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts lebte. Zu dieser hier konservierten Atmosphäre gehören nicht nur Eichenmöbel, Ölgemälde und edles Geschirr, sondern auch banale Alltagsgegenstände, Nippes, Reiseandenken und familiäre Erinnerungsstücke, die in ihrem angestammten Kontext geblieben sind.
Das Haus soll in Zukunft aber nicht nur als Sitz der Stiftung dienen und zu musealen Zwecken erhalten werden, sondern auch den Rahmen für aktive Kulturpflege abgeben.
Die Poppelsdorfer Allee und die Bonner Südstadt
von Martin Stumpf
Poppelsdorfer Allee
Die Poppelsdorfer Allee bildet die repräsentative Achse zwischen dem ehemaligen kurkölnischen Residenzschloss in Bonn und dem Schloss Clemensruhe in Poppelsdorf. Wenn die Anlage auch heute durch die Eisenbahnlinie und mehrere verkehrsreiche Straßen durchschnitten wird und auch durch zum Teil unproportionierte moderne Bebauung in ihrer Wirkung beeinträchtigt ist, stellt sie dennoch ein eindrucksvolles Beispiel barocker Landschaftsarchitektur aus der Zeit Bonns als Residenzstadt der Kölner Erzbischöfe und Kurfürsten dar.
Die ursprüngliche Idee, die Residenz in Bonn mit der Maison de Campagne in Poppelsdorf zueinander in achsialen Bezug zu setzen, stammt von Kurfürst Joseph Clemens (1688-1723). Schon vor seiner 1715 erfolgten Rückkehr aus dem französischen Exil während des Spanischen Erbfolgekrieges schmiedete er Pläne für den Weiterbau des Bonner Schlosses und den Bau des Lustschlosses in Poppelsdorf. Das Poppelsdorfer Schloss wurde anstelle einer im 17. Jahrhundert nach Kriegszerstörungen abgerissenen Wasserburg errichtet.
Anstelle der heutigen Allee war ursprünglich eine Kanalachse projektiert, die sich allerdings wegen der Geländebeschaffenheit und der ständig angespannten Finanzlage des Kurfürsten nicht verwirklichen ließ.
Zur Anlage der Allee kam es erst unter dem nachfolgenden Clemens August. Gleichzeitig mit dem neuerlichen Weiterbau des Poppelsdorfer Schlosses wurde unter seiner Regierung um 1745 mit der Anlage der heutigen Poppelsdorfer Allee begonnen; 1755 dürfte sie vollendet gewesen sein. In diesem Zeitraum wurden auch die beiden Wachhäuschen symmetrisch vor Schloss Clemensruhe errichtet, von denen das südliche erhalten geblieben ist.
Die Allee wurde nun ohne mittleren Kanal als Fahrweg zwischen dem BuenRetiroFlügel der Residenz (am heutigen Kaiserplatz) und dem Mittelpavillon des Ostflügels des Poppelsdorfer Schlosses, die axial aufeinander bezogen sind, angelegt.
Bei der von der französischen Gartenbautheorie inspirierten Anlage handelt es sich um eine aufwendige, d.h. um eine breite offene Allee mit einem mittleren Grünstreifen, einem sog. tapis vert, deren seitliche Baumreihen verdoppelt sind und so ihrerseits je eine geschlossene, schattenspendende Nebenallee bilden. Die Kastanien der Alleen standen ursprünglich nach französischer Mode auf schmalen Rasenstreifen.
Den „point de vue“ der Blickschneise der Allee von der Bonner Residenz in Richtung Poppelsdorf bildet die etwas aus der Achse versetzt liegende Kreuzbergkirche, die zwischen 1745 und 1752 unter Clemens August durch den Anbau der Heiligen Stiege (Baltasar Neumann) erweitert und im Innenraum neu ausgestattet wurde.
Während die Poppelsdorfer Allee im 18. Jahrhundert vor allem als axiale Sichtverbindung im Sinne der französischen Gartenarchitektur anzusehen ist, spielte sich der Durchgangsverkehr auf der weiter westlich verlaufenden heutigen Meckenheimer Allee ab. Diese alte Chaussee, die Bonn mit dem Ahrtal und Trier verband, wurde ebenfalls unter Kurfürst Clemens August verbreitert und in direkterer Linienführung, allerdings ohne Alleebäume, angelegt; ihre Verlängerung, die heutige Trierer Straße, wurde gleichzeitig ausgebaut. Dennoch stellte ihre verbesserte Trassenführung keine Direktverbindung ins Stadtzentrum Bonns dar: Auch nach der Aufhebung der Festung führte die Straße nicht direkt zum Münsterplatz, sondern mündete erst am Sterntor in die Stadt. So wurde der Verkehr wirkungsvoll aus dem Bereich zwischen den beiden Schlössern ferngehalten. Der Ausbau der Chaussee, die in einer Quelle von 1756 als „in Stand und auch bezahlt“ (von der Dollen, 1978, S. 117) bezeichnet wird, diente im Wesentlichen dazu, das kurfürstliche Jagdschloss Herzogsfreude in Röttgen schnell und bequem erreichen zu können.
Die Funktionstrennung zwischen der Meckenheimer Allee als Straße für den Durchgangsverkehr und der Poppelsdorfer Allee als Promenade und Grünanlage ist heute noch spürbar; sie ist der signifikanteste Rest eines nie vollendeten barocken Wegachsensystems zwischen den kurfürstlichen Schlössern und Lustbauten in Bonn, Poppelsdorf, Röttgen und dem Schloss Augustusburg in Brühl, das über eine weitere Allee an das Poppelsdorfer Schloss angebunden werden sollte. Dieses Alleenprojekt blieb jedoch unvollendet; das einzige vollendete Stück bildet die heutige Nußallee.
Im 19. Jahrhundert wurde die Poppelsdorfer Allee einer der bestimmenden Ordnungsfaktoren für die südliche Stadterweiterung Bonns.
Bonner Südstadt
Seit Anfang des 19. Jahrhunderts genoss die Stadt Bonn einen ausgezeichneten Ruf. Im Zuge der Rheinromantik und wegen des milden Klimas aber auch wegen der die noch recht kleine Stadt prägende Atmosphäre der 1818 gegründeten Universität zogen viele reiche Industrielle, Bankiers und wohlhabende Rentner nach Bonn und errichteten großzügige Villen am Rhein. Die Industrialisierung berührte Bonn weniger, sodass das Flair der kultivierten Stadt in schöner landschaftlicher Lage erhalten blieb und weiterhin für den Zuzug wohlhabender Leute, hauptsächlich Pensionäre vom Niederrhein und aus dem Ruhrgebiet, sorgte. Dadurch wurde der bis mindestens zum Zweiten Weltkrieg bestehende Ruf Bonns als Rentner- und Universitätsstadt manifestiert.
Unter Rentnern sind allerdings weniger Rentner nach heutigem Sprachgebrauch gemeint, sondern eher Personen, die von den Erträgen ihres Vermögens lebten zu verstehen. Es handelte sich bei ihnen oftmals um sehr kapitalkräftige Einwohner der Stadt.
Die zunehmende Attraktivität Bonns sorgte für ein langsames, aber stetiges Wachstum der Bevölkerung, das eine Ausdehnung der Stadt nach sich zog.
Im Gegensatz zur ebenfalls im Laufe der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts entstandenen Bonner Nordstadt, die in erster Linie von Arbeitern, kleinen Angestellten und vor allem von Handwerkern bewohnt wurde, handelt es sich bei der südlichen Stadterweiterung um ein Quartier für das gehobene Bürgertum; dieser wohlhabende Mittelstand konnte sich keine der ganz vornehmen Villen am Rhein leisten und siedelte sich daher in der benachbarten Südstadt an.
Der Verlauf der Poppelsdorfer Allee und der Koblenzer Straße, der heutigen Adenauerallee, waren die Fixpunkte für die um 1830 sehr langsam anlaufende Erweiterung der Stadt nach Süden. Ein Hauptgrund für das zögerliche Fortschreiten der Bebauung lag in einer fehlenden Gesamtplanung, die erst 1855/56 von dem Stadtbaumeister Paul Thomann in Angriff genommen wurde. Der sogenannte Thomann-Plan, der ein annähernd rechtwinkliges Straßennetz und mehrere Plätze im Gebiet zwischen Reuterstraße, Poppelsdorfer Allee und Koblenzer Straße vorsah, wurde in den sechziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts nach und nach aufgegeben, weil juristische Auseinandersetzungen mit den Grundstücksbesitzern und vor allem mit den in den Plan einbezogenen Nachbargemeinden Kessenich und Poppelsdorf drohten. So wurde in der Folgezeit ohne eine übergeordnete Planungsrichtlinie, allenfalls noch in Anlehnung an den Thomann-Plan gebaut.
Das Verhältnis des Dorfes Poppelsdorf zur Stadt Bonn gewann erst ab 1818 an Bedeutung, denn die in diesem Jahr neugegründete Bonner Universität bezog sowohl das Bonner Schloss als auch das auf Poppelsdorfer Gemarkung liegende Schloss Clemensruhe. In diesem Zusammenhang gab es, insbesondere seit den sechziger Jahren, immer wieder Vorstöße von verschiedenen Seiten, Poppelsdorf und andere umliegende Gemeinden der Stadt Bonn einzugliedern, die aber immer wieder scheiterten, weil die Stadt Folgekosten scheute. Als 1904 Endenich und Poppelsdorf endlich eingemeindet wurden, waren beträchtliche Teile der heutigen Südstadt schon vorhanden; die Stadtgrenze spielte für die Bebauung keine besondere Rolle mehr. Die Gemeindegrenze zwischen Bonn und Poppelsdorf lag an der Poppelsdorfer Allee ungefähr auf der Höhe der Einmündung des heutigen Venusbergweges, auf der von Bonn aus rechten Seite der Allee noch ein Stück weiter südlich. Auch das Pfennigsdorfsche Anwesen befindet sich somit auf Poppelsdorfer und nicht etwa auf alter Bonner Gemarkung.
In der Bonner Südstadt dominiert die geschlossene Zeilenbebauung mit Einfamilienhäusern; Mehrfamilienhäuser waren ursprünglich die Ausnahme. Während die Grundrisse dieser Reihenhäuser – meist sogenannte Dreifensterhäuser mit drei Fensterachsen – sich im Wesentlichen entsprechen, sind die Fassadengestaltungen höchst verschieden. Diese Individualität zeigt sich auch bei den einzelnen Fassaden der zahlreichen Häusergruppen, die auf einmal von einem Investor als Spekulationsobjekte gebaut und dann an einzelne Interessenten verkauft wurden. Der Käufer eines solchen Hauses konnte die Dekoration seines Hauses gewissermaßen „aus dem Katalog“ bestellen und so seinem persönlichen Geschmack und seinem Repräsentationsbedürfnis Ausdruck verleihen.
Einzelnstehende Villen sind in der eigentlichen Südstadt eher selten, solche entstanden vorwiegend in den exklusiveren Baugebieten am Rhein entlang der heutigen Adenauerallee. Gelegentlich ist die Zeilenbebauung unterbrochen; die so exponierten Zeilenendhäuser sind ebenso wie die Eckhäuser der Reihen oft durch reicheren Baudekor und anspruchsvollere Architekturelemente, wie z.B. Ecktürme, betont.
Bis in die frühen siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts dominieren in der Südstadt klassizistische Bauformen, erst in der folgenden Zeit setzt sich der historistische Stilpluralismus immer mehr durch, d.h. Fassaden mit Stilelementen der Neogotik und der Neorenaissance sowie des Neobarock bzw.–Rokoko dominieren immer mehr und zeigen ein gesteigertes Bedürfnis nach Formenreichtum. Der Jugendstil der Jahre um 1900 ist hier nur in geringem Maße und meistens nur als Oberflächendekor vertreten; ohnehin ist der Geschmack in diesem mittelständischen Wohnviertel tendenziell eher konservativ und zurückhaltend.
Kurz nach 1870 ist die Poppelsdorfer Allee schon in weiten Teilen bebaut, insbesondere auf der östlichen, von Bonn aus linken Seite mit den hier vorherrschenden repräsentativen Villenbauten. Die geschlossene Zeilenbebauung der rechten Seite war noch sehr unvollständig.
Es versteht sich von selbst, dass die promenadenartige Anlage der Poppelsdorfer Allee zwischen den beiden Schlössern einen repräsentativen Eindruck bot und daher als eine gehobene Wohnlage der Südstadt angesehen wurde.
Generell ging die Bebauung der Südstadt bis in die 80er Jahre des 19. Jahrhunderts eher zögerlich vonstatten; erst seit den 90er Jahren setzte ein regelrechter Bauboom ein, der ungefähr bis 1905 anhielt und danach abebbte. Nach dem Ersten Weltkrieg waren nur noch Lücken zu füllen.
Im Zweiten Weltkrieg wurden nur wenige Häuser in der Bonner Südstadt zerstört. Weit schwerer als die Kriegsschäden wiegen jedoch die Schäden der Nachkriegszeit: Baulücken wurden mit wenig passender neuer Architektur gefüllt, manche Fassaden des 19. Jahrhunderts wurden durch Entfernung der „altmodischen“ Fassadendekoration „purifiziert“ oder völlig umgebaut.
Einige Häuser riss man einfach ab und ersetzte sie durch Neubauten, da die Südstadt aufgrund der citynahen Lage für Unternehmen insbesondere des Dienstleistungsgewerbes und für diverse Institutionen zunehmend attraktiv wurde. Außerdem wurden in vielen der ursprünglichen Einfamilienhäuser die Etagen in separate Wohneinheiten verwandelt oder als Büros vermietet.
Positiv zu vermerken ist, dass sich seit den 1970er Jahren die Denkmalpflege, aber auch die Bonner Bevölkerung vermehrt um die Erhaltung der Südstadt bemühen; inzwischen stehen die noch vorhanden gebliebenen Gebäude unter Denkmalschutz. Das gründerzeitliche Wohnviertel mit seiner langen Zeit als nur eklektizistisch verachteten historistischen Architektur ist als gründerzeitliches Ensemble im Wesentlichen erhalten geblieben.
Noch heute sorgt die großzügige Begrünung des Stadtviertels für Wohnqualität: Zahlreiche Straßenzüge sind mit Bäumen bestanden, die allermeisten Häuser besitzen Vorgärten, und auf der Rückseite der Häuserblocks befinden sich die meistens durch Mauern voneinander abgetrennten Gärten.
Beispiele für den wenig einfühlsamen Umgang vergangener Jahrzehnte mit der Architektur und der Struktur des historistischen Stadtviertels, das ursprünglich ein fast reines Wohngebiet war, finden sich auch in der Poppelsdorfer Allee zur Genüge. Gerade in dieser Hinsicht gewinnt die Erhaltung des Pfennigsdorfschen Hauses als nahezu unverändert gebliebener bürgerlicher Wohnbau des 19. Jahrhunderts besondere Bedeutung.
Interview
Herr Thomas Dogen, der stellvertr. Vorsitzende der „LoCom – Europäisches Bildungsinstitut für lokale Kommunikation und politische Partizipation“ in Bonn, führte 2012 ein Gespräch mit Herrn Manfred Lohmann, dem ehemaligen Geschäftsführer der Stiftung Pfennigsdorf, der selbst als Kind jahrelang in diesem Haus gelebt hat. Lebendig berichtet er über die Stiftung und das Stiftungshaus Poppelsdorfer Allee 108.
Erinnerungen an das Leben im Haus
von Manfred Lohmann
Bereits im März 1944 flüchteten meine Großeltern, das Ehepaar Prof. D. Pfennigsdorf, Besitzer des Hauses in der Poppelsdorfer Allee 108 vor den Bombenangriffen nach Bad Pyrmont zu Verwandten. In der Zeit von Frühling 1944 bis Juni 1945 bedienten sich verschiedene Bonner Bürger an Möbelstücken und Hausrat. Gleichzeitig wohnten amerikanische Soldaten in dem Haus, die einiges zerstört hinterließen.
Die amerikanische Armee besetzte Bonn am 6. März 1945.
Die Familie Prof. Pfennigsdorf war zu diesem Zeitpunkt noch weit verstreut. Von dem einzigen Sohn hatte man keine Nachricht. Eine Tochter wohnte kriegsbedingt in Erlangen, die andere im Schwarzwald.
Am 28. August 1945 zog die Tochter Erika mit ihren Kindern Achim und Manfred mit gefälschten Papieren von Erlangen in das Elternhaus nach Bonn. Nach zweitägiger beschwerlicher Fahrt auf der Pritsche eines LKWs erreichten wir mit etlichen anderen Menschen Bonn und wurden von unseren Großeltern herzlich empfangen. Wenig später folgte unser Vater, der nach dem Krieg bei der Reichsbahn in Frankfurt arbeitete und sich dann nach Köln versetzen ließ. Der Einzige, der noch in der Familienrunde fehlte, war mein Onkel Udo. Wir wurden deshalb von unserer Mutter eingeschworen, seinen Namen nicht zu nennen, um unsere Großmutter nicht unnötigerweise an diese traurige und belastende Tatsache zu erinnern. Urplötzlich stand er am 5. Oktober 1945 vor der Türe – gerade einmal 120 Pfund schwer – für einen 1,96 m großen Menschen ein absolutes Fliegengewicht. Aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes hatte man ihn aus dem Lager in Auschwitz entlassen, das nach der Kapitulation am 8. Mai 1945 zu einem deutschen Kriegsgefangenenlager wurde. Er schilderte später, in welch großer Spannung er am Bahnhof in Bonn ankam und den unteren Teil der Poppelsdorfer Allee in Schutt und Asche sah. Wusste er doch nicht, ob seine Eltern den Krieg überlebt hatten.
Im Hause Poppelsdorfer Allee 108 bezogen wir, meine Eltern, mein Bruder Achim und ich damals die zweite Etage. Das Zimmer über dem Hauseingang war für uns Kinder bestimmt. Direkt unter dem Fenster war eine Vertiefung im Fußboden, die durch eine Brandbombe entstanden war. Sie war nur durch Auffüllen von Sand und einem Stück Linoleum repariert worden – eine Reparatur, die sicher einen Statiker nicht entzückt hätte. Unsere Eltern waren deshalb immer sehr besorgt, dass wir uns durch Springen und Herumtollen plötzlich im ersten Stock vorfinden könnten.
An der Türe dieses Zimmers stand ein kleiner Kanonenofen, denn für die Benutzung der Zentralheizung gab es keine Kohlen. Neben unserem Zimmer befand sich das unbeheizbare Badezimmer, das wir notdürftig in eine Küche umgewandelt hatten.
Als Küchentisch diente ein Brett, das über die Wanne gesetzt wurde. Im Winter war es ohne Heizung lausekalt und im Sommer war es heiß wie in der Sauna. Es gab weder genügend Strom noch Gas und häufig fiel beides ganz aus. Um Energie zu sparen, wurde das Essen in einem Topf vorgekocht, anschließend in die sog. Kochkiste gesetzt – einem mit Holzwolle gefüllten Karton – und von dort ins Bett unter die Daunendecke zum weiteren Garen. An Improvisation herrschte kein Mangel, um das tägliche Leben zu meistern. Einen elektrischen Eisschrank gab es nicht. Allerdings hatten meine Großeltern einen, der mit Eisblöcken versorgt werden musste. Diese wurden bei Bedarf im Sommer mit einem Pferdefuhrwerk angeliefert.
Großeinkäufe, wie sie heute üblich sind, verboten sich aus mehreren Gründen. Frische Lebensmittel ließen sich nicht lange aufbewahren, ganz abgesehen davon, dass sie einfach nur selten angeboten wurden. Die Geschäfte waren leer, und man musste jeden Tag los, um etwas Essbares aufzutreiben, das es nur gegen Lebensmittelkarten gab. So erinnere ich mich, dass jeden Morgen meine Mutter und ich – als ich noch nicht zur Schule ging – zwei Tante-Emma-Läden aufsuchten, in der Hoffnung, wenigstens in einem der Geschäfte etwas zu bekommen. Beide Geschäfte lagen in der Sebastianstraße. immerhin 1,5 km entfernt. Ich empfand das als kleiner Knirps schon sehr mühsam.
Da mein Großvater aufgrund der schlechten Ernährung im Krieg fast erblindet war, beschäftigte er einen jungen Studenten, Herrn Schwahne, und einen Frührentner, Herrn Rudolph, die ihm aus Büchern und philosophischen Schriften vorlasen und seine theologischen Schriften niederschrieben, die er bis 1948 veröffentlichte. Er saß dann in dem Thonet-Schaukelstuhl, der auch heute noch im Hause ist.
Unser Großvater war ein Mensch, der ganz in seiner theologischen Welt lebte und die Wirklichkeit anders wahrnahm als wir, besonders wenn es darum ging, seine Gedanken zu Papier zu bringen. So soll die Bezeichnung eines zerstreuten Professors bei ihm durchaus zutreffend gewesen sein. Das tägliche Leben bewältigte unsere Großmutter, die eine tüchtige und eine lebenskluge Hausfrau war. Sie stammte aus einer Kaufmannsfamilie in Celle.
Im Winter versammelte sich die ganze Familie in der kleinen Küche der ersten Etage, die häufig als einziger Raum beheizt wurde. Hier wurde gelesen, geflickt, genäht, sich unterhalten und gespielt. Wild herumtollen konnten wir natürlich nicht. Kinder hatten auch grundsätzlich zu schweigen, wenn Erwachsene sich unterhielten. Obwohl es aus heutiger Sicht kärglich zuging, fühlten wir uns sehr geborgen.
Der Sonntag unterschied sich im Hause Pfennigsdorf von den anderen Wochentagen. Um 11 Uhr gingen mein Bruder und ich in den Kindergottesdienst in die Lutherkirche an der Reuterstraße, den mein Onkel, Pfarrer Friedrich Mummenhoff, hielt. Nachmittags traf sich die ganze Familie zum Kaffeetrinken. Das ist leicht übertrieben, denn der Kaffee war durch den „Muckefuck“, einem aus Korn gebrannten kaffeeähnlichen Getränk ersetzt. Wir bildeten dann oft eine Familie bzw. Gesellschaft mit 13 Personen, mit meinen Großeltern, meinem Onkel, Udo Pfennigsdorf, Pfarrer Mummenhoff mit seiner Frau, die eine Schwester meiner Mutter war, ihren Kindern Rainer und Irmela, uns Lohmännern und dem Bruder meiner Großmutter, Gustav Otte und dessen Frau, unsere Tante Lia, die wir alle sehr gerne mochten. Manchmal war diese Runde noch erweitert durch das Hinzukommen eines bekannten Pfarrers Gützlaff Hillert. Wir Kinder wurden dann ans Kopfende an den sog. Katzentisch gesetzt, was wir schätzten, denn hier konnten wir uns unterhalten und spielen, brauchten uns also nicht unterzuordnen.
Nach dem Kaffeetrinken gingen wir meistens in den Garten, wo wir sehr von den strengen und misstrauischen Augen unseres Onkels beobachtet wurden. Auf die Beete zu gehen war streng verboten, was sich aber nicht immer befolgen ließ. Von den Früchten des Gartens zu naschen, wurde von ihm nur ungern gesehen. Weiteren Argwohn zogen wir uns zu, als besonders Rainer und ich das Treppengeländer herunterrutschten, wobei jeder von uns beiden besonders schnell sein wollte. Leider musste ich meinem Vetter die Führungsrolle überlassen. Mein Onkel befürchtete, dass das Geländer durch Kratzer beschädigt werden könnte.
Wie erwähnt, war das Haus von einer Brandbombe getroffen, die es um Haaresbreite in Flammen gesetzt hätte, wenn nicht mein Onkel, Pfarrer Mummenhoff, von Unruhe getrieben, in die Poppelsdorfer Allee geeilt wäre. Er hatte die Bombe kurzerhand aus dem Fenster geworfen und ist damit eigentlich derjenige, der schließlich zur Schaffung dieser Stiftung beigetragen hatte, ohne dies jemals ahnen zu können.
Als mein Onkel Udo aus der Kriegsgefangenschaft zurückkehrte. musste er erst einmal zu Kräften kommen. Mit meiner Mutter trieb er zunächst die am Kriegsende gestohlenen Möbel und Gegenstände wieder auf. Bei ihren Erkundigungen fanden sie das Diebesgut bei Nachbarn und bei Händlern, einschließlich einer alten Stainer Geige aus dem 17. Jahrhundert – versteckt auf einem Schrank. Soweit ich mich erinnere, geschah alles ohne polizeiliche Hilfe, was aus heutiger Sicht unglaublich klingt. Die Drohung alleine, diese Missetaten zu melden, veranlasste die Menschen, ihre nicht rechtens erworbenen Schätze wieder zurückzugeben.
Anfang 1946 gründete mein Onkel seine Rechtsanwaltspraxis im Parterre des Hauses, wo er seinen eigenen Hausstand mit Haushilfe, Küche, usw. hatte. Das war für uns alle in mehrfacher Hinsicht von großer Bedeutung: Von der Anzahl der von uns benötigten Zimmer hing die Einquartierung von Flüchtlingen ab, die es zu jener Zeit in großer Zahl gab, und ebenso die Zuteilung von Strom, Gas und Kohlen gegen Marken. Später überlegte er hin und wieder, die Praxis in die Nähe des Land- und Amtsgerichtes in der Wilhelmstraße zu verlegen. Doch wenn dann im Frühling die Kastanien in der Allee blühten, schwanden diese Absichten. Das war auch nicht verwunderlich, denn seinen Schreibtisch hatte er sich so gestellt. dass er einen wunderschönen Blick auf die Allee und das Poppelsdorfer Schloss Clemensruhe hatte.
Mit der Praxisgründung stellte mein Onkel eine junge Dame aus Sechtem ein, die ihn zeitlebens bis zu seinem Tod im Jahre 1989 beruflich begleitete. Es war Frau Maria Weiler, die heutige Geschäftsführerin der Stiftung. Für sie war das Leben sicher nicht immer einfach, denn mein Onkel, der Widerspruch nicht besonders mochte, war sparsam und streng.
Bei Anschaffungen musste ihm aber das Beste gut genug sein. So kaufte er sich im Jahre 1957 einen Mercedes, der ihm gut 25 Jahre treue Dienste leistete und die „erstaunliche Laufleistung“ von 30.000 km erreichte, bis er als Oldtimer einen neuen Eigentümer fand. Trotz aller Vorsicht ließ es sich nicht verhindern, dass sein Auto in seinem langen Leben so manche Beule einfuhr, sehr zur Freude der Daimler-Aktionäre. Passend zu seinem Mercedes trug er den feinsten Zwirn, vorausgesetzt er bewegte sich in der Öffentlichkeit. Aber auch hier folgte er dem Gesetz der Wirtschaftlichkeit, indem er morgens, neben seiner Alltagsjacke, eine zweite zur Hose passende sauber gefaltet ins Büro trug. Sobald ein Klient eintrat, zog er die alte Jacke aus und machte seine Aufwartung. Diese Aus- und Umzieherei konnte sich am Tage mehrmals wiederholen und ließ seine Kleidung altern, ohne dass man es ihr ansah. Auf diese Art mehrte er zur Zufriedenheit der heutigen Stiftung den Wert seines Aktiendepots. Für sein eigenes und das von Klienten anvertraute Geld ließ er besondere Sorgfalt walten. Seine Kassette, mit Barem und Sparbüchern gefüllt, wanderte jeden Tag ins Schlafzimmer und nahm den gleichen Weg am folgenden Morgen zurück in seine Büroräume, damit sich keiner diesem Heiligtum unbeaufsichtigt nähern konnte. Da er sich selbst gegenüber bescheiden war, konnte er sich über kleine Geschenke sehr freuen, was ihn dann zu einem besonders liebenswürdigen Herrn machte. Als er 1965 also im reifen Alter von 58 Jahren heiratete, investierte er kräftig, um das Haus zu modernisieren. So verwandelten sich die in Schwarz gehaltenen Türen, eingelegt mit Goldstreifen, die das Haus vornehm und dunkel erscheinen ließen, in ein freundliches Weiß, und die frisch tapezierten Wände erstrahlten in neuem Glanz. Mit dem Erscheinen seiner Frau, Hildegard Frettlöh, trat ein Wandel ein.
Zur Arbeit pflegte er ein etwas gespaltenes Verhältnis. Von den Politikern und den Direktoren von Aktiengesellschaften verlangte er Außergewöhnliches. Und wehe denen, die durch Unfähigkeit, Müßiggang oder gar Verschwendung auffielen. Und das waren nicht wenige! Sie konnten ihn erzürnen und er bedachte sie nicht immer mit freundlichen Worten. Bei seiner eigenen Tätigkeit soll er, wie ich später hörte, nicht ganz so streng gewesen sein. Er liebte es, etwas länger zu schlafen, als man von einem strengen und disziplinierten Herrn erwartete. Man höre und staune – auch der eine oder andere Richter soll auf ihn gewartet haben. Und wenn Frau Weiler nicht gewesen wäre, die ihn respektvoll und doch bestimmt immer wieder auf die Termine aufmerksam machte, wäre es möglicherweise zu einer Stiftung mangels Masse nie gekommen.
Wenn wir einen Menschen im Rückblick beurteilen, so sehen wir ihn mit unseren Augen, aus unserer Welt und unserer Zeit. Da schwingt dann immer ein bisschen Überheblichkeit mit und die Dinge werden überzeichnet. Wir wissen, dass wir von der nachfolgenden Generation ebenso mit fremden Augen gesehen werden. Auch wir werden künftig vielleicht nicht immer verstanden werden und zuweilen sicher auch Heiterkeit auslösen.
Die wichtigste Literatur in Auswahl
- BONN. 54 Kapitel Stadtgeschichte. Hrsg. v. Josef Matzerath, Bonn 1989, S. 99-110.
- DAMBLEFF-UELNER, Ursula: Zeugen der Gründerzeit. Die Stadthäuser der Bonner Südstadt. In: Deutsche Bauzeitung 123,1989 (August), S. 44-47.
- DOLLEN, Busso von der: Vorortbildung und Residenzfunktion. Eine Studie zu den vorindustriellen Stadt-Umland-Beziehungen. Dargestellt am Beispiel Bonn-Poppelsdorf. Bonn 1978 (=Veröffentlichung des Stadtarchivs Bonn, Bd. 20)
- DOLLEN, Busso von der: Der Thomann-Plan. Zur Aufstellung und Interpretation des ersten Stadterweiterungsplanes für Bonn im Bereich der sogenannten Südstadt (1855 ff.). In: Bonner Geschichtsblätter 34, 1982, S. 141-172
- GESCHICHTE DER STADT BONN. Bd. 4: Bonn. Von einer französischen Bezirksstadt zur Bundeshauptstadt. 1794-1989. Hrsg. v. Dietrich Höroldt, Bonn 1989.
- GRUNSKY, Eberhard: Ein bürgerliches Wohngebiet in der Gründerzeit. Zur Geschichte und zum Denkmalwert der Bonner Südstadt. In: Bonner Geschichtsblätter 27, 1975,
S. 191-208. - GRUNSKY, Eberhard/ Osteneck. Volker: Die Bonner Südstadt. 2. Auflage Köln 1976
(Landeskonservator Rheinland, Arbeitsheft 6). - HABEREY, Waldemar: Bonner Bürgerhäuser. In: Rheinische Heimatpflege, 1971, S. 25-32.
- HANSMANN, Wilfried: Die Bau- und Kunstgeschichte. In: Geschichte der Stadt Bonn. Bd. 3: Bonn als kurkölnische Haupt- und Residenzstadt. 1597-1794. Hrsg. v. Dietrich Höroldt, Bonn 1989, S. 351-448.
- HÖROLDT, Dietrich: Bonn als Universitäts-, Rentner- und Garnisonsstadt. Bonn in der Kaiserzeit 1871-1914. Festschrift zum 100jährigen Jubiläum des Bonner Heimat- und Geschichtsvereins. Hrsg. v. Dietrich Höroldt und Manfred van Rey, Bonn 1986, S. 105-118.
- HÖROLDT, Dietrich: Die Bonner Raumordnung in historischer Sicht. In: Bonner Geschichtsblätter 24,1971, S. 9-37.
- JACOBI, Klaus: Der Sauerkrauttopf steht noch im Keller. Eine Bonner Professorenvilla im Dornröschenschlaf. In: Neues Rheinland, 39, 1996, Nr. 2, S. 13.
- PFEFFER, Klaus: Der Wohnhausbau in der Zeit von 1800-1880. In: Kunst des 19. Jahrhunderts im
Rheinland. Bd. 2: Architektur II, Profane Bauten und Städtebau. Hrsg. von Eduard Trier und Willy Weyres, Düsseldorf 1980. - WEILER, Maria: Popppelsdorfer Allee 108. In: Das Rheinische Landesmuseum Bonn. Berichte aus der Arbeit 2001, Nr. 1, S. 16-19.